- Bericht von der Hanns-Seidel-Stiftung
- Bericht auf katholisch.de
- Beitrag im Magazin Kirche in Bayern
- Bericht von der Ackermanngemeinde
Wo ein Wille, da ein Weg?!
Bewegte Bilder waren das „hochemotionale Intro“, mit dem die mehr als 100 Teilnehmer/innen der Fachtagung „Wo ein Wille, da ein Weg?! Frauenhandel wirksam bekämpfen“ mitten ins Thema hinein geführt wurden. Klaus Wölfle, Redakteur beim Bayerischen Fernsehen, hatte zentrale Passagen seiner im Januar 2013 erstmals ausgestrahlten Reportage „Verkauft und versklavt – Vom Kampf gegen den Menschenhandel“ zu einem bewegenden Film-Clip zusammen geschnitten. Ursachen des Menschenhandels wurden darin ebenso deutlich wie Mechanismen von Zwangsprostitution und sexueller Ausbeutung.
Bordell Deutschland – Wie der Staat Frauenhandel und Prostitution fördert lautete im Mai dieses Jahres ein Titel des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“. Darin wurde gleichsam der Finger in die deutsche Wunde gesteckt, dass wir in unserem Land bezüglich der wirksamen Bekämpfung des Menschen- bzw. Frauenhandels eine völlig unzureichende Gesetzeslage haben. Ja mehr noch: es wurde in dieser Spiegel-Ausgabe aufgezeigt, dass das „gut gemeinte“ Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2001 , mit dem die Einstufung von Prostitution als „sittenwidrig“ beseitigt und diese als „Beruf wie jeder andere“ eingestuft wurde, das Geschäft mit der „Ware Frau“ massiv gefördert hat.
„Schande für unseren Staat“
Bei der Fachtagung in Nürnberg bezeichnete der Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl die derzeitige Rechtssituation in Deutschland „als Schande für unseren Staat“. Es sei dem deutschen Parlament bisher nicht gelungen, „ein effektives Gesetz zum Schutz der betroffenen Frauen zu schaffen“. Erst im September war ein Gesetzentwurf im Bundesrat gescheitert, mit dem die Bundesregierung den längst überfälligen Versuch unternommen hatte, die „ EU-Richtlinie 2011/36/EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels“ in bundesdeutsches Recht umzusetzen.
Was diese Richtlinie beinhaltet und wo Hindernisse für ihre effektive Anwendung liegen, hatte der Rechtsexperte Christoph Lindner zu Beginn der Tagung aufgezeigt. Es herrsche auf europäischer Ebene überhaupt kein Mangel an Konventionen, Richtlinien und Projekten zu Maßnahmen gegen den Menschenhandel. Ja, es gebe heute geradezu „ein im Europäischen Recht verankertes Menschenrecht auf Schutz vor Menschenhandel“. Entscheidend für die nächste Zeit sei aber die konsequente Umsetzung der EU-Richtlinie 2011/36 durch effektive Strafverfolgung und angemessene Strafgesetze, durch wirksame Ermittlungsmethoden, Kooperation mit den Menschenhandels-Opfern und grenzüberschreitende Zusammenarbeit.
Gesetzesfreier Raum im Rotlichtmilieu
Die Bedeutung der Perspektive auf die Opfer von Zwangsprostitution und Frauenhandel – zentral auch für die EU-Richtlinie – zog sich wie ein roter Faden durch die Fachtagung. Da der Gesetzentwurf der Bundesregierung sich diese Perspektive nicht ausreichend zu Eigen gemacht habe, sei er „nicht traurig einmal darüber, dass er gescheitert ist“, meinte der Abgeordnete Uhl. Nun könne man noch einmal ganz neu ansetzen und wirklich ein „Gesetz gegen die Menschenhändler, Bordellbetreiber und Zuhälter und für die Opfer des Menschenhandels“ machen. Der Irrtum des Prostitutionsgesetzes von 2001 werde – so Uhl – inzwischen auch von zahlreichen früheren Verfechtern eingesehen, es gebe eine parteienübergreifende Bereitschaft zur Änderung dieses Gesetzes, das im Rotlichtmilieu eine Art „rechtsfreien Raum“ geschaffen habe.
Eine Lanze für eine konsequente Regulierung der Prostitution brach auch Carsten Moritz vom Bundeskriminalamt. Dazu müsse die Ausbeutung sexueller Dienstleistungen endlich „ein objektiver Straftatbestand“ werden. Bundeseinheitliche Zugangs- und Kontrollmöglichkeiten im Rotlichtmilieu seien nötig, die medizinischen Untersuchungsangebote für die Prostituierten müssten neu geregelt werden und das Einstiegsalter für die Ausübung von Prostitution auf 21 Jahre angehoben werden. Auch müssten mehr Ausstiegshilfen aus dem Milieu angeboten werden, und schließlich sollte auch über eine Regulierung der Werbung für Prostitution nachgedacht werden. Moritz begrüßte auch, dass mit der Umsetzung der EU-Richtlinie jetzt Ernst gemacht werde, er sei, sagte der Kriminalbeamte, „richtig euphorisch, dass es jetzt endlich weitergehen wird“. Wenn im Bundeslagebild des BKA für 2011 nur 640 Opfer des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung statistisch erfasst seien, bei einer Dunkelziffer im vier- bis fünfstelligen Bereich, habe dies letztlich etwas mit den gesetzlichen Grundlagen zu tun, auf die polizeiliches Handeln sich stets stützen müsse. Dies bekräftigte – selbstkritisch – auch der Bundespolitiker Uhl mit den Worten: „Man kann der Polizei und den Staatsanwaltschaften keinen Vorwurf machen, wenn Politik nicht die gesetzlichen Voraussetzungen schafft, um den Menschenhandel wirkungsvoll zu bekämpfen.“
Fachberatungsstellen sorgen für qualifizierte Opferbetreuung
Die bei der Tagung anwesenden Vertreterinnen der Fachberatungsorganisationen Jadwiga und Solwodi , die tagtäglich mit Opfern des Frauenhandels zu tun haben, unterstrichen die Notwendigkeit, dass für die qualifizierte Opferbetreuung auch entsprechende Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden müssten. Viele Beratungsstellen hätten Jahr für Jahr um eine ausreichende Finanzierung ihrer Personalstellen zu bangen. Monika Cissek-Evans von Jadwiga konnte deutlich machen, welche Bedeutung – nicht zuletzt unter dem Aspekt der Strafverfolgung der Täter – ein einfühlsamer Umgang mit den Opfern des Frauenhandels habe. Dazu brauche es aber professionelle Begleitung.
Die Aussagebereitschaft von Frauen, die aus der Zwangsprostitution frei kommen konnten, hänge wesentlich davon ab, ob sie sich beschützt fühlten und keine Konsequenzen für Leib und Leben befürchten müssten, wenn sie gegen ihre Peiniger aussagten. Die Rechte der Opfer müssten gestärkt werden, nicht zuletzt sei ein gesicherter Aufenthaltstitel für sie unverzichtbar.
Der Europaabgeordnete Martin Kastler betonte, dass die Fragen, um die sich die ganze Tagung drehe, eminent „europäische Themen“ seien – und nicht nur solche der EU. Dem Organisierten Verbrechen, dass hinter dem Menschenhandel stehe, sei nur durch grenzüberschreitende europäische Zusammenarbeit auch jenseits der Europäischen Union beizukommen. Europäische Ermittlungsgruppen müssten hier noch viel intensiver zusammenarbeiten. Die EU habe dazu einen Strategieplan 2012 – 2016 zur Bekämpfung, ja sogar, wie es in der ehrgeizigen Formulierung heiße, „zur Abschaffung“ des Menschenhandels entworfen. Europa sei in diesem Problemfeld momentan eindeutig „der Impulsgeber“. Der Europaparlamentarier appellierte nachdrücklich an den neuen Deutschen Bundestag, die EU-Richtlinie 2011/36 nun zügig umzusetzen.
In ihrem Schlusswort zur Tagung lenkte Renate Hofmann, Sozialarbeiterin bei Solwodi, noch einmal den Blick auf die Opfer von Zwangsprostitution und Frauenhandel. Hier würden „Menschen, junge Frauen, ja Kinder zerstört“ und es brauche „sehr viel Zeit, Geduld und Mut, danach einen Weg ins Leben zurückzufinden“. Es sei ein beschwerlicher und langer Weg und „die Frauen bekommen von uns, unserer Gesellschaft, den Behörden, der Politik nur wenig Hilfe“, so Renate Hofmann. Die Leiterin einer Fachberatungsstelle forderte aber auch, den Blick einmal in die Richtung der „Freier“, der Nutznießer des Handels mit Frauen, zu lenken und diese in ihrer Verantwortung anzusprechen. Schließlich seien aber wir alle als Gesellschaft gefragt, weil wir es zulassen, „dass in der Öffentlichkeit und in den Medien Frauen zu Sexobjekten degradiert werden“. Auch dagegen stehe das Aktionsbündnis gegen Frauenhandel, und auch darum sei es bei der Fachtagung gegangen – nämlich zu zeigen: „Wir können handeln – Frauen sind keine Ware, die man kaufen und verkaufen kann!“
Von Burkhard Haneke, Geschäftsführer bei Renovabis